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Multitasking – Fluch oder Segen?

Gabriele Gebhardt, Realschullehrerin

Was im Leben zählt, ist nicht, dass wir gelebt haben.

Der Unterschied, den wir im Leben anderer bewirkt haben,

bestimmt, wie bedeutsam das Leben ist, das wir führen.

Nelson Mandela

 

Multitasking – Fluch oder Segen?

         

Wir leben in einer Multitasking-Gesellschaft. Dieses Phänomen, mehrere Dinge gleichzeitig zu machen, ist bei Kindern und Jugendlichen besonders ausgeprägt. Teenager sitzen vor ihrem Computer, chatten mit ihren virtuellen „Freunden“, hören über Kopfhörer Popmusik in ohrenbetäubender Lautstärke während sie Hausaufgaben machen.

Viele Eltern sind dankbar, wenn ihre Kinder beschäftigt sind, denn Multitasking scheint für uns etwas Selbstverständliches zu sein. Außerdem stehen die meisten Kinder und Jugendliche unter einem enormen Druck. Sie meinen, ohne Multitasking den Anforderungen von Schule und Elternhaus nicht gerecht werden zu können.

Zu beobachten ist eine enorme Beschleunigung des Multitasking im Zeitalter des Internets. Psychologen warnen, dass Teenager, die gleichzeitig ihre Hausaufgaben erledigen, Sprach-/Videoanrufe tätigen, Onlinespiele machen und Fernsehen, auf Dauer Schwierigkeiten bekommen können. Viele Kids haben so viel um die Ohren, dass sie kaum noch Zeit für das gemeinsame Essen mit der Familie haben. Die vielen Termine würden sie zum Multitasking zwingen. Eltern, die von ihren Kindern Erfolg um jeden Preis erwarten, verschlimmern das Problem nur noch. Der permanente Erfolgsdruck kann bei Jugendlichen zu Stress und Depressionen führen. Diese Kinder, die überfordert aufwachsen, sind jedes Mal unglücklich, wenn sie die Erwartungen ihrer Eltern nicht erfüllen können. In einer Phase ihres Lebens, in der sie eigentlich lernen sollten, Freude am Leben zu empfinden, erleben sie sich als hilf- und hoffnungslose Versager. So ist es kein Wunder, dass viele von ihnen depressiv werden.

Es ist wichtig, dass Eltern und Erzieher den Kindern beibringen – am besten durch das eigene Vorbild – wie man mal Pause macht, sich ein paar Minuten entspannt und gar nichts tut.

Was man alles nicht macht, wenn man zu lange vor dem Bildschirm sitzt, hat Auswirkungen auf das soziale Miteinander: man isst nicht mehr mit der Familie zusammen, man spricht nicht mehr miteinander, man erlebt keine gemeinsamen Familienausflüge mehr, man spielt nicht mehr Gesellschaftsspiele, man sitzt nicht mehr im Garten und sieht den Wolken zu, …

Die Frage ist nicht: Was tue ich meinem Gehirn an mit all den Computerspielen?

Sondern: Was tue ich meinem Leben an mit all den Dingen, zu denen ich nicht mehr komme?

Viel wichtiger ist, dem Kind ein gesundes Lustempfinden zu vermitteln, indem wir Freude an den einfachen und schönen Dingen des Lebens zeigen, wie etwa den Spaziergang in der Natur, wenn im Frühjahr die Knospen aufbrechen und ihre bunten Blätter zum Vorschein kommen: Ein Zoobesuch mit der ganzen Familie, eine Wanderung durch die abwechslungsreiche Landschaft oder das Angeln lernen mit dem Vater, können tiefer gehende Eindrücke beim Kind hinterlassen. Kinder brauchen Zeit und Freiräume, um ihren Interessen und Neigungen nachzugehen. Familien brauchen Zeit gemeinsam etwas zu erleben, sie brauchen eine feste Struktur von Familientraditionen.

 

Gibt es eine Lösung?

Im Neuen Testament lesen wir im sog. Kinderevangelium, wie bedeutsam Kinder für Jesus sind.

Auf dem Weg nach Kapernaum hört Jesus, wie seine Jünger sich unterwegs über die Frage, wer denn wohl der Wichtigste unter ihnen sei, streiten. Den Jüngern ist es unangenehm, als Jesus sie daraufhin anspricht. Er setzt sich, ruft seine Jünger zu sich und spricht: „Wer der Erste sein will, der soll sich allen anderen unterordnen und ihnen dienen.“ Zur Veranschaulichung rief er ein kleines Kind, stellte es in die Mitte und umarmte es. Dann sagte er: „Wer solch ein Kind mir zuliebe aufnimmt, der nimmt mich auf. Und wer mich aufnimmt, der nimmt damit Gott selber auf, weil Gott mich gesandt hat.“ (Markus 9, 35b-37, Hoffnung für alle)

Für mich als Lehrerin bedeutet dies, dass das Kind einen Platz in meinem Herzen hat, ich es in meinem Herzenshaus aufnehme. Dadurch ist Jesus in unserer Mitte und das Ebenbild Gottes kann sich entfalten.

Gott ist die Liebe. Das ist nur eine seiner vielen Eigenschaften. In Jesus Christus ist SEINE Liebe leibhaftig geworden und in Jesu Kreuzigung und Auferstehung vollendet. Eine größere Liebestat ist nicht vorstellbar oder möglich. In jedem Kind, in jedem Kinderherzen ist die Liebe Gottes wie ein Samenkorn eingepflanzt und will wachsen. Unsere oberste Aufgabe als christliche Erzieher*innen/Pädagogen*innen ist es, das Herz eines uns anvertrauten Kindes zu berühren und die Liebe Gottes darin freizusetzen. D.h. das kleine Pflänzchen will gehegt und gepflegt werden, damit es heranwachsen und gedeihen kann. Wildwuchs sollte eingedämmt werden, damit sich die Persönlichkeit des Kindes mit den von Gott gegebenen Gaben entfalten kann.

Die Liebe zum Kind bedeutet, dass man es nicht seinem freien Willen in jeder Situation überlässt. Es bedeutet vielmehr, dass das Kind lernt, in Grenzen zu leben. Durch die Erfahrung von positiver Aufmerksamkeit (Lob) und praktischer Anleitung (Erwartung) wird das Kind eine Freude entwickeln, den Weg des Dienens einzuschlagen. Und wir Erwachsene als gute Vorbilder gehen auf diesem Weg voran. Wenn wir die Veränderung seines Herzens zum wichtigsten Ziel unseres Herzens machen, dann zeigt sich dabei Liebe, die Geduld hat (1. Korinther 13, 4) ohne nachlässig zu sein.

Und so ist das, was wir im Leben der uns anvertrauten Kinder im Sinne Jesu bewirken, nicht nur für sie bedeutsam, sondern auch für unser Leben.

Literatur:
1. Archibald Hart: Wer zu viel hat, kommt zu kurz, Brunnen-Verlag Gießen 2010
2. David W. Winkelhake: Die Herzensfrage – Wie unser Menschenbild die Erziehung bestimmt, Buchhandlung Bühne Leseplatz.de